Prüfungsangst verstehen – und entmachten

Ein Beitrag über die psychologischen Mechanismen hinter der Angst und den Weg zurück zur Selbstwirksamkeit

Prüfungsangst ist kein Zeichen von Schwäche, sondern eine komplexe psychophysiologische Reaktion auf eine als bedrohlich bewertete Situation. Im Jurastudium, das durch hohe Leistungsanforderungen, lange Vorbereitungszeiten und eine geringe Fehlertoleranz geprägt ist, kann diese Reaktion besonders ausgeprägt sein.

Aus psychologischer Sicht handelt es sich bei Prüfungsangst um eine spezifische Form der Leistungsangst, die sich auf mehreren Ebenen zeigt: körperlich, emotional, kognitiv und verhaltensbezogen. Körperlich treten Symptome wie Herzrasen, Muskelanspannung, Atembeschwerden oder Magen-Darm-Probleme auf – gesteuert durch das autonome Nervensystem, das auf Stress mit der klassischen „Kampf-oder-Flucht“-Reaktion antwortet. Diese Reaktion ist evolutionär sinnvoll, aber in Prüfungssituationen dysfunktional, da sie kognitive Prozesse wie Konzentration und Abruffähigkeit beeinträchtigen kann.

Kognitiv dominieren automatische Gedanken, die meist negativ und verzerrt sind: „Ich werde versagen“, „Ich darf keinen Fehler machen“, „Wenn ich scheitere, ist alles vorbei“. Diese Gedanken sind oft nicht bewusst steuerbar, wirken aber unmittelbar auf das emotionale Erleben und verstärken die Angst. Die Aufmerksamkeit richtet sich zunehmend auf die Angst selbst, was zu Denkblockaden und einem Gefühl der Ohnmacht führen kann.

Verhaltensbezogen zeigt sich Prüfungsangst häufig in Vermeidung: Die Prüfung wird hinausgeschoben, das Lernen wird unterbrochen oder exzessiv betrieben, ohne dass eine echte Struktur entsteht. In extremen Fällen kann es zu einem vollständigen Rückzug aus dem Studium kommen.

Die Ursachen sind vielfältig. Neben situativen Faktoren wie unklaren Prüfungsanforderungen oder negativen Vorerfahrungen spielen auch stabile Persönlichkeitsmerkmale eine Rolle – etwa ein hohes Anspruchsniveau, perfektionistische Tendenzen oder ein durch Misserfolgsvermeidung geprägtes Leistungsmotiv.

Auch das sogenannte „Lernen am Modell“ kann Prüfungsangst verstärken: Wer in seinem Umfeld wiederholt erlebt, dass Prüfungen mit Angst und Scheitern verbunden sind, übernimmt diese Bewertung unbewusst.

Im Coaching geht es darum, diese Mechanismen sichtbar zu machen und zu bearbeiten.

Zentral ist die kognitive Neubewertung der Prüfungssituation: Was genau macht sie bedrohlich? Welche Gedanken sind hilfreich, welche hinderlich? Parallel dazu arbeiten wir mit körperorientierten Methoden, die das Nervensystem beruhigen und die Selbstregulation stärken. Ziel ist nicht die vollständige Angstfreiheit – sondern die Wiederherstellung von Handlungsfähigkeit trotz Anspannung.

Prüfungsangst ist kein individuelles Versagen, sondern eine nachvollziehbare Reaktion auf ein strukturell überforderndes System. Sie lässt sich beeinflussen – durch Wissen, durch Übung und durch eine veränderte innere Haltung.

In den kommenden Beiträgen werde ich weitere Aspekte beleuchten: etwa die Rolle von Selbstorganisation, die Dynamik von Perfektionismus oder die Frage, wie mentale Stärke entsteht.

Wenn du dich in diesen Zeilen wiedererkennst, bist du nicht allein. Prüfungsangst ist bewältigbar – und du musst da nicht allein durch.

Wenn du neugierig bist, wie ein Coaching dir helfen kann, melde dich gern für ein unverbindliches Erstgespräch.